Orchidee des Jahres 2024 – Mücken- oder Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea)
Die Vorstände der Arbeitskreise Heimische Orchideen (AHO) Deutschlands haben auf ihrer Jahrestagung mit der Großen Händelwurz eine recht weit verbreitete und durchaus noch häufige Art zur Orchidee des Jahres gekürt. Aber auch mit ihrer Wahl soll auf Gefährdungen von Biotopen und der darin vorkommenden Arten aufmerksam gemacht werden. Die Große Händelwurz steht für die Gefährdung von Grünlandbiotopen verschiedener Ausprägung.
Die Große Händelwurz ist eine auffällige und sicher auch vielen bekannte Pflanze. Ihren Namen hat sie von den handförmig geteilten Knollen, die ihre Überdauerungsorgane darstellen. Die Pflanze wird 20-40 cm, ausnahmsweise bis 70 cm hoch. Am Grund des Stängels stehen rosettenartig angeordnet schmal-lanzettliche, gekielte bis rinnige Blätter. Weiter oben am Stängel werden die Blätter kleiner und schmaler. An dessen Spitze steht der Blütenstand, der bis zu 100 Blüten enthalten kann. Charakteristisch sind neben der rosa bis rotvioletten Blütenfarbe der lange, meist nach unten gebogene Sporn und die typische dreilappige Lippe, die unter dem Helm den „Landeplatz“ für die Bestäuberinsekten bildet. Die Blütezeit der Großen Händelwurz beginnt Ende Mai und erstreckt sich bis in den Juli. Die Art ist in Blütenfarbe, Habitus und anderen Merkmalen außerordentlich variabel. Schwierig ist auch die Abgrenzung zu der sehr ähnlichen, neuerdings meist als Art anerkannten Dichtblütigen Händelwurz (Gymnadenia densiflora), die in unserem Raum mehr in feuchteren Biotopen (Kalkquellmoore, Frischwiesen) vorkommt.
Die Große Händelwurz besiedelt verschiedene Grünlandbiotope. Besonders in Kalk-Magerrasen (Halbtrockenrasen, lichte Gebüsche und Kiefernwälder), aber auch in etwas frischeren Wiesen und Sekundärbiotopen (wie Steinbrüche) ist sie - vor allem in den Muschelkalkgebieten Thüringens - noch weit verbreitet. In den großen Naturschutzgebieten der Jenaer Umgebung wie „Leutratal und Cospoth“, „Gleistalhänge“ oder „Kernberge und Wöllmisse“ ist die Art noch in reichen Beständen vorhanden. Ein bemerkenswert individuenreiches Vorkommen gibt es auf dem Plateau des Alten Gleisberges.
In wenigen Schutzgebieten des Eisenberges Raumes (wie GLB „Im Tälchen“ bei Nischwitz oder im FND „Wacholderberg“ bei Petersberg) kommen Pflanzen ebenfalls in Kalkmagerrasen vor, die fast einen Monat später bühen und die recht intensiv nach Gewürznelken duften.
Stark zurückgegangen sind die Händelwurz-Bestände in den Buntsandsteingebieten, wo derartige magere Wiesen kaum noch vorhanden sind, und in den Bergwiesen des Thüringer Waldes und Schiefergebirges. Dort war sie ehemals weit verbreitet, durch die veränderte Nutzung der Bergwiesen findet sie jedoch aktuell kaum noch ihr zusagende Lebensräume.
Aber auch in den Hauptverbreitungsgebieten der Art in Thüringen gibt es Rückgänge: Infolge der Aufgabe der Wiesennutzung vieler Flächen oder durch Nährstoffeinträge verursachten negativen Vegetationsentwicklung gehen viele Bestände zurück. Ein Beispiel ist ein ehemals viele Hundert Pflanzen umfassender Bestand der Großen Händelwurz am Hang des Kiefenberges bei Schkölen südlich des heutigen Flächennaturdenkmals, in dem heute nach Aufgabe der Schafbeweidung in dichten Schlehengebüschen nur noch wenige Pflanzen ihr Dasein fristen. Wegen dieser landesweit zu beobachtenden Rückgangstendenzen wurde die Große Händelwurz in die „Vorwarnliste“ der aktuellen Roten Liste der Farn- und Gefäßpflanzen Thüringens (2021) aufgenommen.
Die wichtigsten Lebensräume der Großen Händelwurz (Gamander-Blaugras-Trockenrasen der steilen Wellenkalkhänge, aber auch andere Kalkmagerrasen wie Trespen-Halbtrockenrasen und Enzian-Schillergras-Halbtrockenrasen) besitzen als Lebensraumtypen der europäischen FFH-Richtlinie eine besonders hohe Bedeutung für den Naturschutz. Nicht zuletzt als Charakterart dieser europaweit bedeutsamen Lebensräume wurde die Große Händelwurz als „Orchidee des Jahres“ ausgewählt.
Peter Rode, Stadtroda
Fotos: Horst Blume, NABU Jena