
Eine kürzliche Sichtung eines Wolfes in Jena führt (erneut) zu einer Scheindebatte über die Gefahr, die von diesen Tieren ausgeht. Dabei ist der Wolf ein integraler Bestandteil unseres Ökosystems und seine Wiederkehr stellt ein Zeichen dafür dar, dass sich die Natur erholen kann, sofern ihr der nötige Raum gegeben wird. Dennoch herrscht bei vielen Menschen eine große Angst vor dem Tier. Warum ist der Wolf so wichtig, und wie können wir Ängste und Konflikte abbauen?
Die Ausrottung des Wolfes in Deutschland
Zahlreiche Faktoren haben im 19. Jahrhundert dazu geführt, dass der Wolf in Deutschland ausgestorben ist - der entscheidendste - der Mensch.
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Jagd & Kopfgeld: In einigen Regionen wurde damals Kopfgeld für getötete Wölfe gezahlt, wodurch die Jagd weiter vorangetrieben wurde. Er wurde als Gefahr für Mensch und Vieh angesehen und es wurden systematische Maßnahmen getroffen, um ihn auszurotten.
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Lebensraumverluste: Abholzung und Urbanisierung führten dazu, dass der Wolf seinen Lebensraum verlor. Dementsprechend hat er sich aus diesen Gebieten zurückgezogen.
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Weniger Beutetiere: Auch der Bestand von Wildtieren ist zurückgegangen, wodurch der Wolf immer größere Schwierigkeiten bekam, ausreichend Nahrung zu finden.
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Mythen: In Märchen wird der Wolf oftmals als ein Symbol des Bösen eingesetzt und als aggressives Tier dargestellt. Dies führt dazu, dass Menschen Angst vor "dem bösen" Wolf haben und diesen nicht in ihrem Lebensraum akzeptieren.
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Keine Schutzmaßnahmen: Bis ins 20. Jahrhundert gab es keinen rechtlichen Schutz für den Wolf, womit eine uneingeschränkte Ausrottung möglich wurde.
Dies alles führte 1904 zu einem schrecklichen Tiefpunkt in Deutschland - der vollständigen Ausrottung des Wolfes. Der letzte freilebende Wolf wurde damals in der Lausitz getötet. Erst mit der Wiederansiedlung und dem Schutz durch die EU-Richtlinie für Flora-Fauna-Habitat (FFH) seit den 1990er-Jahren konnte der Wolf wieder in Deutschland überleben.
Doch warum ist so wichtig, den Wolf in Deutschland wieder anzusiedeln?
Der Wolf als Schlüsselart in unserem Ökosystem
Beim Wolf handelt es sich um eine sogenannte Schlüsselart. Diese tragen entscheidend zur Stabilität und Vielfalt von Ökosystemen bei. Er kann unter anderem dazu beitragen, die Wildtierpopulationen zu regulieren, was die natürliche Vegetation schützt und die Biodiversität fördert. Wälder können sich dadurch besser regenerieren und können widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels werden.
Durch die Ausrottung des Wolfes entstand eine Lücke, die eingespielte Wechselbeziehungen innerhalb des Ökosystems beeinträchtigt hat. Nicht zu Unrecht wird der Wolf als „Gesundheitspolizei“ des Waldes bezeichnet, da er häufig auch kranke und schwache Tiere frisst.
Wie der NABU Thüringen betont, handelt es sich bei der Rückkehr des Wolfes um eine Chance, natürliche Prozesse in unseren Landschaften zu stärken. Tiere wie der Wolf oder der Luchs kehren nicht zufällig zurück – sie finden in Regionen wie dem mittleren Saaletal wieder attraktive Lebensräume.
Wolfssichtung in Jena – Ein Zeichen der Erholung
Am 16. Februar 2025 wurde südlich von Jena ein Wolf von einer Wildtierkamera erfasst. Diese Sichtung zeigt, dass die Region Saaletal ein geeigneter Lebensraum für diese Tiere ist. Jägerin Birgit Zwilling kommentierte: „Offenbar ist die Region im mittleren Saaletal so attraktiv für die schützenswerten Tiere, dass sie sich hier ein Stelldichein zu geben scheinen. Ich bin positiv erstaunt darüber, dass so viel Wildnis vor den Toren der Stadt Jena möglich ist. Wir müssen es offenbar nur zulassen und uns darauf einstellen“, so Birgit Zwilling.
Solche Sichtungen sind keine Seltenheit mehr: Thüringen ist aufgrund seiner Wälder und offenen Landschaften ein zunehmend attraktiver Lebensraum für Wölfe. Besonders bemerkenswert ist die Mobilität der Tiere – sie können bis zu 50 Kilometer am Tag zurücklegen.

Wie gefährlich ist der Wolf für den Menschen wirklich?
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass Wölfe eine Gefahr für den Menschen darstellen. Tatsächlich sind Wölfe äußerst scheu und meiden Menschen. Laut NABU Thüringen gab es in Deutschland bisher keine bestätigten Angriffe von Wölfen auf Menschen in freier Wildbahn.
Vielmehr zeigt die Erfahrung: Konflikte entstehen vor allem durch Unwissenheit. Wer sich über das Verhalten von Wölfen informiert und einfache Verhaltensregeln einhält – etwa, keine Anfütterung oder Provokation – reduziert mögliche Begegnungen mit dem Tier auf ein Minimum.
Herausforderungen und Lösungen: Herdenschutz statt Abschuss
Obwohl die Rückkehr des Wolfes viele Vorteile bringt, gibt es auch Herausforderungen. Der NABU Thüringen kritisiert die aktuelle politische Debatte in der Thüringer Landesregierung um erleichterte Abschüsse von Wölfen. Diese Debatte führt zu keiner Akzeptanzerhöhung, bestärkt die Angst von Menschen gegenüber dem Tier und hilft weder den Weidetierhaltern beim Herdenschutz noch löst sie sonstige Probleme.
Abschüsse lösen keine Probleme, sondern verschärfen sie oft, da Rudelstrukturen gestört werden. Zudem zeigt sich aus der Erfahrung, dass die Übergriffe von Wölfen auf Weidetiere stark reduziert werden können, sofern flächendeckende Herdenschutzmaßnahmen entsprechend dem Mindestschutz eingesetzt werden.
Die Sorge um Nutztiere ist nachvollziehbar, jedoch gibt es hierfür effektive Schutzmaßnahmen. Der NABU Thüringen setzt sich für praktikable Lösungen ein, etwa den Ausbau von Herdenschutzmaßnahmen. Unterstützungsprogramme für Landwirte und umfassende Aufklärungsarbeit sind essenziell, um ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen. Ebenso kann das vom NABU Thüringen geforderte Herdenschutzzentrum für Thüringen wertvolle Dienste leisten.
Fazit: Der Wolf als Chance
Die Rückkehr des Wolfes ist eine Chance, unser Naturverständnis zu erweitern und unsere Lebensweise anzupassen. Statt Ängste zu schüren, sollten wir uns sachlich mit dem Thema auseinandersetzen. Mit dem richtigen Management können wir ein friedliches Miteinander von Mensch und Wildtier gewährleisten.
Der Wolf ist ein Gewinn für Thüringen – ökologisch und symbolisch. Er steht für die Rückkehr der Wildnis und zeigt, dass Natur- und Artenschutz Erfolge bringen können. Gemeinsam können wir lernen, mit diesem faszinierenden Tier in Einklang zu leben und unsere heimische Natur zu schützen.
Text: Anne Maiwald
Titelbild: Heiko Anders
Quellen
- Schlüsselart: https://www.nationalgeographic.de/tiere/2020/12/oekosysteme-warum-manche-tiere-wichtiger-sind-als-andere
- NABU Thüringen: https://thueringen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/index.html
- https://www.ifaw.org/de/aktuelles/angriffe-von-wolfen-auf-menschen-eine-aktualisierung-fur-2002-bis-2020
- https://www.deutschlandfunk.de/woelfe-deutschland-pro-contra-100.html#:\~:text=In%20Deutschland%20kam%20es%20zu,angegriffen%20oder%20gar%20get%C3%B6tet%20haben.