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Vogel des Monats Januar 2025 - Birkenzeisig

 Als Vogel des Monats Januar wird ein weiterer einheimischer Brutvogel aus der Familien der „Finken“ vorgestellt, der Birkenzeisig. „Zeisig“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen: „zeiz“, was für zart, anmutig, lieblich steht. Bei den wissenschaftlichen Namen wird es etwas komplizierter. Bedauerlicherweise gibt es mehrere Systematiken zu Einteilung und Nomenklatur. In der (allgemeinen) wissenschaftlichen Bezeichnung wird verwendet: einerseits Acanthis, (nach Aristoteles: ein Vogel, der sich von Distelfrüchten ernährt), andererseits Carduelis (cardus (lat.) = Distel). Für die gleiche Art lassen sich – je nach Quelle – mitunter unterschiedliche Bezeichnungen finden (Wember, V., Namen der Vögel, Wbhm 2017, S. 190: Acanthis flammea; Hayman/Hume, The Birdwatchers Pocket Guide, London 2013, S. 300: Carduelis flammea). Hinzu kommen die Unterarten (Svenson, Kosmos): Carduelis cabaret – Alpenbirkenzeisig; Carduelis flammea – Taigabirkenzeisig, Carduelis rostrata – (grönländischer) Birkenzeisig (dieser wird bei Svenson zum Birkenzeisig gezählt, bei Hayman/Hume hingegen dem Carduelis horrnemanni, dem Polarbirkenzeisig zugeordnet. Zum Polarbirkenzeisig zählen außerdem noch die Unterarten Carduelis horrnemanni horrnemanni und Carduelis horrnemanni exilipes. Desweiteren gibt es zum Taigabirkenzeisig noch die Unterart Carduelis flammea holboellii. Jüngste genetische Untersuchungen können darauf verwendet werden, dass es lediglich zwei Arten gibt: Birkenzeisig – mit zahlreichen Unterarten – und Polarbirkenzeisig – ebenfalls mit einigen Unterarten.

Wie nun bei der Bestimmung vorgehen? Sobald die Farbe braun mit am/im Federkleid sichtbar ist, handelt es sich meist um den Alpenbirkenzeisig. Fehlt braun komplett und ist der Vogel auffallend hell und grau, so kann ein Taigabirkenzeisig vermutet werden. Es genügt jedoch, einfach „Birkenzeisig" zu notieren, ggf. mit Notizen zum Federkleid. Und eine fotografische Dokumentation ist hier DAS Mittel der Wahl für weiterführende Auswertungen.  

Birkenzeisige sind klein, etwa so groß wie Erlenzeisige. Am ehesten sind sie an ihrem Ruf zu entdecken oder an ihrem schnellen Trillern – tonlos, etwa eine reichliche Sekunde lang, ähnlich dem der Grünfinken. Im Winter kommen die helleren (Taiga-)Birkenzeisige aus östlichen oder nördlichen Brutgebieten bisweilen zu uns, wo sie meist in kleinen Gruppen umherfliegen – ähnlich den Erlenzeisigen. Das Flugmuster eines solchen Birkenzeisigtrupps hebt sich jedoch von dem anderer Finkenvögel z.T. deutlich ab. Wohingegen bei Stieglitz, Grünfink, Erlenzeisig & Co. quasi jeder Vogel seine eigenen kleinen Kurven im Pelleton fliegt, was an ein wuseliges Knäul erinnert, sind die Flugbahnen der Birkenzeisige im Pulk eher parallel. Gern belagern Birkenzeisige – vor allem im Winter – Birken, wo sie oft kopfüber an den Zweigen hängen.

 Birkenzeisige sind im Raum Jena in den letzten Jahren selten geworden. Letztmalig in 2020 konnten z.B. im Paradies vom Strand 22 aus Birkenzeisige während der Brutzeit gut beobachtet werden. Seither waren nur während der Zugzeit Birkenzeisige in/um Jena anzutreffen. Aus anderen umliegenden Landfkreisen werden ähnliche Bestandsentwicklungen gemeldet.

Ihren Nistplatz errichten Birkenzeisige im Siedlungsbereich gern in dichten Nadelholz- oder Koniferenbeständen. Möglicherweise haben die heißen Jahre seit 2018, die zum Vertrocknen zahlreicher Nadelbäume führten, mit zu einer rückläufigen Entwicklung geführt. Das Nahrungsspektrum ist zwar sehr breit gefächert (Samen von Bäumen, Kräutern und Gräsern), zur Brut- und Aufzuchtphase werden allerdings Insekten als Futter für die Jungvögel gebraucht. Das gegenwärtige Insektensterben (um 75 %) wird auch bei dieser Art nicht ohne Auswirkungen geblieben sein.

In Deutschland nehmen (veraltete?) Angaben einen Brutbestand von ca. 8.500 bis 14.000 Brutpaaren an – siehe: nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets/birkenzeisig/. Eine Abfrage via ornitho.de (siehe unten) zur Brutzeit, Anfang April bis Ende Juli, liegt deutlich unter diesen Zahlen, wobei eine Gegenüberstellung von 2020 (n=1314) und 2024 (n=431) eine rückläufige Bestandsentwicklung vermuten lässt. Einschränkend sei darauf verwiesen, dass die ornitho.de-Abfragen auf Gelegenheitsbeobachtungen basieren, nicht aus einer systematischen Erfassung stammen. Als Brutvogel unterliegt der Birkenzeisig nach BNatSchG §7 Art. 2 zwar einem besonderen Schutz, gleichwohl ist er nicht in der EU Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG gelistet.

Verbreitungskarte 2020
Verbreitungskarte 2020
Verbreitungskarte 2024
Verbreitungskarte 2024

 Was kann für Birkenzeisige „getan“ werden? Wo immer es geht, mögen z.B. Blaufichten/Fichten in kleinen Gruppen gepflanzt werden. Bedauerlicherweise sind z.B. Satzungen von Kleingartenanlagen noch immer auf dem ökologischen Stand der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Auch in manchen Köpfen biologischer Fachleute gehören Fichten nicht ins Bild, z.B. in einer Flusslandschaft oder in einer Streuobstwiese. Dies ist aber im Siedlungs- oder in angrenzenden Bereichen vollkommen unerheblich. Fichten- oder auch Koniferengruppen bereichern eine florale Diversität und stehen ihr nicht im Weg. Fichtengruppen sind nicht nur für Birkenzeisige absolut notwendig, sondern bieten einer ganzen Reihe auch anderer Vogelarten exklusiven Schutz und bevorzugten Lebensraum: z.B. Schlafplätze für Waldohreulen, u.a. Nistplatz für Sommergoldhähnchen, Türkentauben, Turmfalken, Singdrossel, Rastplatz für Fichtenkreuzschnabel, sicht-dichter Rückzugsort für alle Singvögel während der Zug- und Brutzeit. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass Fichtengruppen spezifische Insekten beherbergen, die wiederum das Nahrungsangebotsspektrum erweitern.

Also in den kommenden Winterwochen: Augen und Ohren auf! Vielleicht drückt der Winter wiederum einige (Taiga)Birkenzeisige in unsere Regionen.

Text: Kathlen Runge / Holger Kirschner
Fotos Holger Kirschner