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Vogel des Jahres 2024 - Kiebietz

Foto: © Daniil Komov
Foto: © Daniil Komov

Zur Wahl des Vogels des Jahres 2024 standen fünf Arten – Kiebitz, Steinkauz, Rebhuhn, Rauchschwalbe, Wespenbussard – in der Vorschlagsliste und der Kiebitz hat mit 27,8 % der etwa 120.000 abgegebenen Stimmen Platz 1 belegt. Er ist damit nach 1996 zum zweiten Mal „Vogel des Jahres“, wozu sicherlich auch seine Bekanntheit selbst unter Naturfreunden beigetragen hat, die sich sonst nicht mit der heimischen Vogelwelt beschäftigen. Noch ist dieser vor 100 Jahren verbreitete Charaktervogel weiträumiger, feuchter Wiesen und von

 

sumpfigem Gelände allgemein bekannt. Doch, so wird sich mancher von uns vor der Abgabe seiner Entscheidung gefragt haben, wann habe ich den letzten Kiebitz gesehen?

 

 

Vor gut 50 Jahren vermerkt Willi Semmler in seiner Abhandlung „Die Vogelwelt der Jenaer Landschaft“: „Der Kiebitz ist einer der selteneren Brutvögel in unserem Gebiet. Schon Brehm schrieb, dass er bei Jena nicht häufig sei, weil der Sumpf fehle“. Doch außerhalb der Brutzeit waren bis kurz vor der Jahrtausendwende Kiebitze als regelmäßige Gäste in größeren Flügen auf den weiten Ackerflächen westlich und östlich von Jena und selbst im Saaletal zu sehen.

 

Für seine Zusammenstellung des Auswertungszeitraumes von 1951 bis 2000 standen Jürgen Heyer Beobachtungsdaten aus 49 Jahren aus den Monaten Februar bis Dezember zur Verfügung. Und noch in den 1970-er Jahren gab es vereinzelt Brutnachweise in der Umgebung von Jena, so bei Lützeroda, Münchenroda, Bucha, Rödigen, im Saaletal bei Dorndorf sowie in den Fäkaliengruben in der Unteraue unmittelbar am nordöstlichen

 

Stadtrand von Jena.

 

Gegenwärtig wird der Kiebitz in der Roten Liste der Brutvögel Thüringens in der Gefährdungskategorie 1 “Vom Aussterben bedroht“ und für Deutschland in der Kategorie 2 „Stark gefährdet“ geführt.

 

Gab es größere Schlickflächen in der Feldflur während der Sommermonate nach Starkregen oder bei niedrigem Wasserstand am Hainspitzer See, so gehörten Kiebitze zu den regelmäßig dort nach Nahrung suchenden Gästen. Auch konnte man ab Mitte des 20. Jh. einen interessanten Wechsel des Bruthabitats beim Kiebitz beobachten. Fand man seine Nester einst fast ausschließlich auf Grünland und auf versumpften Flächen mit einer niedrigen Frühjahrsvegetation, so wechselte er nun verstärkt auch auf Felder, sofern die Ablage des Geleges nicht mit der Frühjahrsbestellung der Felder kollidierte. Dennoch blieben die weiten Feuchtwiesengebiete in Norddeutschland und den Niederlanden die Schwerpunktherkunftsgebiete für die großen Kiebitzschwärme, die auf ihrem Frühsommerzug

 

nach Abschluss der Brutzeit bei uns erschienen. Die Umwandlung dieser Gebiete in weite Maisschläge zur Produktion von Futter für die überhöhten Rinder- und Schweinebestände sowie zur Erzeugung von Biogas führten dann zu einem Zusammenbruch der dortigen Brutpopulationen. Hinzu kam eine bedeutend erhöhte Gefährdung der Gelege und Jungvögel durch kleine Raubsäuger, deren Zahl sich in den vergangenen Jahren durch die Zuwanderung invasiver Arten wie Waschbär, Mink und Marderhund gerade in Feuchtlebensräumen erheblich erhöht hat.

 

 

 

Der Kiebitz ist in seinem Lebensraum im offenen Gelände leicht zu beobachten. Lediglich wenn die Vögel still auf Ackerflächen sitzen, sind sie oftmals nur schwer zu bemerken. Doch kaum, dass sie sich in die Luft erheben, fallen sie durch ihren unverwechselbaren Flug auf. Während ihrer gaukelnden Balzflüge ist dabei weithin ihr etwas langgezogener, namensgebender „kieh-wit“ Ruf zu hören.

 

 

 

 

Text: Dr. Dietrich von Knorre