
Tauben sind weit mehr als „fliegende Ratten“ – sie sind hochintelligente, soziale und anpassungsfähige Tiere. Trotzdem leiden sie weltweit unter Vorurteilen und unsensibler Behandlung. Oft übersehen wir, dass unser eigenes Verhalten die Probleme rund um Tauben erst verursacht hat.
Auch romantische Traditionen wie das Fliegenlassen von Tauben bei Hochzeiten tragen ihren Teil dazu bei – ein Brauch, die für die Tiere mit Leid und Gefahren verbunden ist. Es ist Zeit, unseren Umgang mit diesen faszinierenden Vögeln zu überdenken.
Geschichte der Tauben: Vom geschätzten Nutztier zum missverstandenen Stadtvogel
Die Geschichte der Tauben und ihr schlechtes Ansehen in der Öffentlichkeit sind eng mit der langen und wechselvollen Beziehung zwischen Mensch und Taube verbunden. Schon in der Antike wurden Tauben als Nutztiere gehalten und wegen ihrer besonderen Fähigkeiten geschätzt. Sie dienten als Brieftauben, übermittelten Nachrichten über weite Strecken und waren eine wichtige Nahrungsquelle. Tauben spielten zudem eine symbolische Rolle in vielen Kulturen – als Zeichen von Frieden, Treue und Hoffnung.
Mit der Zeit veränderte sich das Verhältnis jedoch. Während Tauben auf dem Land oft weiterhin geschätzt wurden, führte die zunehmende Urbanisierung dazu, dass viele Haus- und Brieftauben freigelassen wurden oder entkamen. Diese Tiere mussten sich an das Stadtleben anpassen und bildeten so die heutigen Stadttaubenpopulationen. In den Städten fanden sie reichlich Nahrung – oft in Form von Abfällen –, was eine starke Vermehrung ermöglichte.
Allerdings gerieten die Stadttauben durch ihr häufiges Auftreten und ihre Abhängigkeit von menschlichen Nahrungsquellen zunehmend in Verruf. Sie wurden als „Ratten der Lüfte“ bezeichnet, da sie in manchen Bereichen als unhygienisch wahrgenommen wurden. Häufige Vorurteile wie die Übertragung von Krankheiten oder die Zerstörung von Gebäuden verstärkten ihr negatives Image, obwohl diese Probleme in der Regel durch menschliche Verhaltensweisen verursacht werden, etwa durch unkontrollierte Müllentsorgung und mangelndes Populationmanagement.
Geistige Fähigkeiten und soziales Verhalten
Tauben besitzen zahlreiche Fähigkeiten, die wir an anderen viel geachteten Tieren schätzen. Sie zeichnen sich unter anderem durch die folgenden Eigenschaften aus:
Extrem gute Erinnerungsfähigkeiten:
Studien zeigen, dass Tauben Hunderte von Bildern über Jahre hinweg speichern und kategorisieren können – sei es Kunststile oder einzelne Personen.
Rückkehrinstinkt:
Wie Brieftauben können Stadttauben ihre Schlaf- oder Nistplätze über viele Kilometer zuverlässig wiederfinden – offenbar mithilfe von Geruch und Magnetfeld.
Sozialstruktur & Persönlichkeit:
Taubenschwärme zeigen Hierarchien mit festen Führungsrollen. Wissenschaftler haben dokumentiert, dass sie komplexe Entscheidungen treffen und kooperativ agieren.
Typische Mythen über Tauben – und warum sie nicht stimmen
Trotz zahlreicher Kampagnen und vielen Aufklärungsinitiativen über Tauben, bestehen immer noch zahlreiche Mythen und Unwahrheiten über diese wunderbaren Tiere. Es ist Zeit, dass diese ad acta gelegt werden und die positiven Eigenschaften der Tauben in den Vordergrund gerückt werden.

Mythos 1: Tauben übertragen viele Krankheiten auf den Menschen.
Tatsächlich gibt es kaum Beweise dafür, dass Stadttauben Krankheiten in relevantem Maße auf Menschen übertragen. Studien zeigen, dass die meisten Erreger, die Tauben tragen können, für Menschen nur unter extremen Bedingungen gefährlich werden, etwa bei direktem Kontakt mit stark kontaminiertem Kot. Tauben sind sehr reine Tiere, was viele Menschen nicht denken oder wissen.
Mythos 2: Tauben vermehren sich unkontrolliert.
Die Fortpflanzung von Tauben hängt direkt von der verfügbaren Nahrung ab. Werden Tauben gefüttert oder finden sie ausreichend Abfälle, legen sie mehr Eier. Projekte wie betreute Taubenschläge in Jena regulieren die Population durch kontrollierten Austausch von Eiern gegen Attrappen.
Mythos 3: Tauben sind dumm.
Ganz im Gegenteil: Tauben zählen zu den intelligentesten Vögeln. Sie erkennen sich selbst im Spiegel, ein Test, den nur wenige Tierarten bestehen. Außerdem können Tauben Picasso- von Monet-Gemälden unterscheiden und sogar verschiedene Kunststile erkennen. Sie sind in der Lage, Krebs in Röntgenbildern zu erkennen – eine Aufgabe, die für Menschen sehr schwierig ist. Zudem können Tauben von eins bis neun zählen, ähnlich wie Primaten. Sie lernen auch, echte Wörter von zufälligen Buchstabenkombinationen zu unterscheiden.
Trotz ihres oft schlechten Rufs zeigen Tauben erstaunliche kognitive Fähigkeiten, die sie zu sehr intelligenten Tieren machen.
Mythos 4: Taubenkot zerstört Gebäude.
Während Taubenkot tatsächlich alkalische Eigenschaften besitzt, die auf empfindlichen Materialien wie Kalkstein Schäden anrichten können, ist dies in der Regel nur bei jahrelanger Ansammlung ein Problem. Regelmäßige Reinigung und Prävention in Problemzonen reichen meist aus.
Warum das Fliegenlassen von Tauben bei Hochzeiten ein problematischer Brauch ist

Bereits seit der Antike wird Tauben eine besondere Bedeutung zugeschrieben: Sie sollen den Himmelswagen der Liebesgöttin Aphrodite gezogen und Noah das Ende der Sintflut mit einem Olivenzweig verkündet haben. Als Symbol für Liebe, Frieden und Treue sind sie eng mit Hochzeiten verbunden – ein schöner Gedanke, der jedoch oft großes Tierleid verursacht.
Tauben sind monogame Tiere, die lebenslange Paare bilden, gemeinsam Nester bauen und Nachwuchs großziehen. Das Freilassen bei Hochzeiten reißt sie abrupt aus ihrem vertrauten Umfeld und von ihrem Partner. Besonders weiße Pfautauben, die häufig für solche Zwecke gezüchtet werden, haben kaum Orientierungssinn. Viele finden nicht nach Hause, verhungern, schließen sich Stadttauben an oder werden von Greifvögeln erbeutet.
Die Freilassung bedeutet für diese Tauben Stress, Orientierungslosigkeit und oft den Tod. Sie stammen meist aus Zuchtbetrieben und sind nicht an ein Leben in Freiheit gewöhnt. Statt Liebe und Treue zu symbolisieren, führt der Brauch zu Trennung und Leid – das Gegenteil dessen, was er ausdrücken soll.
Auch Alternativen wie das Freilassen von Schmetterlingen sind problematisch. Diese Tiere leiden unter Zuchtbedingungen und sterben oft kurz nach der Freilassung. Zudem bedrohen sie heimische Arten, wenn invasive Exemplare eingesetzt werden.
Wir appellieren dringend, tierfreundliche Symbole für Liebe und Treue zu wählen und auf das Freilassen von Tieren zu verzichten.
So können wir mitgestalten
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Aufklärung – sprecht offen über Intelligenz, Sozialverhalten und unser Versagen gegenüber Tauben.
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Verzicht auf Tierrituale – es gibt zahlreiche nachhaltige Alternativen (z. B. Blumenspende, Spendenaktion).
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Unterstützung der Taubenhäuser – sei es durch Spenden oder Mitarbeit in der Stadttaubenhilfe.
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Verantwortung beim Verhalten – füttern bedarfsgerecht, Nistplätze intelligent gestalten, Nistmaterial entfernen.
- Politisch aktiv werden – lokal Initiativen fördern, Projektfinanzierungen unterstützen, gegen unsachgemäße Vergrämung protestieren.
Quellen:
- https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-asymmetric-brain/201907/the-surprising-neuroscience-pigeon-intelligence
- https://stadttauben-jena.de/
- https://www.peta.de/themen/hochzeitstauben/
- https://www.urbanoutcastpigeons.com/quiz
- https://www.peta.de/themen/schmetterlinge-hochzeit/
- https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/helfen/05991.html
Text: Anne Maiwald
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