Auch der "Vogel des Jahres 2022" wurde durch eine öffentliche Abstimmung gewählt, Sieger ist der Wiedehopf.
Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022
Um es gleich vorwegzunehmen: Der Wiedehopf stinkt nicht. Was stinkt, und zwar hochgradig, ist seine Waffe, nämlich ein Sekret aus der Bürzeldrüse. Dort wird es von Jungvögeln ab dem vierten Nestlingstag bis etwa zum Ausfliegen, wie auch vom Weibchen während der Jungenaufzucht, gebildet und Nesträubern zu deren Vertreibung zusammen mit dünnflüssigem Kot entgegen gespritzt. Die Redensart „stinken wie ein Wiedehopf“ ist dabei durchaus bekannt. Den Vogel aber haben selbst naturverbundene Mitmenschen hier in Thüringen nur selten gesehen. Der etwa drosselgroße Wiedehopf, kenntlich am rötlich-isabellfarbenen Gefieder mit seiner schwarzweiß gebänderten Flügel- und Schwanzzeichnung, ist unverwechselbar. Hingewiesen sei auch auf die Holle, gebildet von bis zu 60 mm langen und in zwei Reihen angeordneten Federn auf dem Kopf, die bei Erregung aufgestellt werden können. Sein Flug mit unstetem Flügelschlag wirkt schmetterlingsartig. Im normalen Streckenflug erreicht er eine Geschwindigkeit von 40 km/h.
So markant der Wiedehopf im Aussehen ist, so wenig wissen wir tatsächlich über seine Lebensraumansprüche. Selbst für gute Feldornithologen ist er diesbezüglich eine
weitgehend unbekannte Art. Artenhilfsmaßnahmen, wie die Anlage von Bruthöhlen, bringen meist nur kurzzeitige Ansiedlungserfolge. Außer im mittleren, östlichen und südlichen Europa ist der
Wiedehopf in fast ganz Mittel- und Südasien sowie in Afrika mit etwa acht Unterarten verbreitet. Bei uns hält er sich von Ende März bis September auf und überwintert im tropischen Afrika. Der
Wiedehopf ist ein ausgesprochener Einzelgänger. Nach langer Zeit ohne jegliche Beobachtungen werden seit etwa 50 Jahren wieder alljährlich mehr oder weniger Einzelvögel auf dem Heimzug im
Frühjahr auch in Thüringen beobachtet. Doch sein Bestand unterliegt erheblichen Schwankungen. Anfang des 19. Jh. gingen Brutnachweise in Ostthüringen stark zurück. Es fehlten über Jahrzehnte
selbst Durchzugsdaten, ohne dass dafür eine plausible Erklärung gefunden werden konnte. Auch Christian Ludwig Brehm, der bekannte Vogelpastor aus Renthendorf, berichtet 1822: „Dieser Vogel war
noch vor 20 Jahren zwar nicht häufig, aber doch auch nicht selten in unseren Thälern … ,so dass in einem nicht sehr großen Bezirke etwa 10 Paare wohnten …. jetzt ist in einem Umfange von mehreren
Geviertstunden nicht eins mehr zu finden.“ Bevorzugt besiedelte der Wiedehopf Streuobstwiesen mit geeigneten Bruthöhlen in alten Obstbäumen sowie mit intensiver Beweidung durch Wanderschäfer. So
war es für uns eine Sensation, als Ende Mai 2011 in einem Obstgarten in Drackendorf am östlichen Stadtrand von Jena eine Bruthöhle mit bereits fast flüggen Jungen entdeckt wurde. Diese Jungvögel
wurden nach dem Ausfliegen noch bis Mitte Juli bei der Nahrungssuche sogar zwischen Neubaublöcken von Lobeda-Ost beobachtet. Auch in den folgenden Jahren konnten die charakteristischen weithin
hörbaren Revierrufe „huphuphup“ des Wiedehopfs bis nach Lobeda-Ost gehört werden. Leider gelang es nicht, nochmals eine Bruthöhle zu finden, wohl aber Wiedehopf-Federn im Mai 2015 unter den
Beuteresten des Wanderfalken am Heizkraftwerk in Winzerla.
Dr. Dietrich von Knorre, Jena