Die Orchidee des Jahres 2023: Das Herzblättrige Zweiblatt
Mit der Wahl der „Orchidee des Jahres“ wollen die Arbeitskreis Heimische Orchideen (AHO) Deutschlands auf Gefährdungen von Biotopen und der darin siedelnden Arten aufmerksam machen. Das Herzblättrige Zweiblatt steht beispielhaft für diejenigen Arten, die durch den Klimawandel besonders bedroht sind. Es handelt sich um eine kleine, unauffällige Pflanze von maximal 15 cm Höhe. Ihren Namen erhielt sie von den beiden herzförmigen Blättern, die - gegenständig angeordnet - im unteren Bereich des Stängels horizontal von diesem abstehen. Unter günstigen Bedingungen wird ein Blütenstand ausgebildet. Nur 5-10 grün oder rötlich gefärbte Blüten sitzen locker verteilt an der Spitze des Stängels. Die Blüten sind sehr klein, die Lippe ist lediglich etwa 5 mm lang. Bei näherem Betrachten ist jedoch die typische Orchideenblüte zu erkennen: die drei Sepalen und zwei Petalen sind sternförmig angeordnet, die tief gespaltene Lippe weist nach unten. Blüten zeigen sich im Juni, in höheren Lagen bis Mitte Juli. Das Herzblättrige Zweiblatt kam früher in fast allen Bundesländern Deutschlands vor. Heute sind die Vorkommen im Tiefland nahezu vollständig erloschen; die Art ist seit Jahrzehnten nur noch in den Hochlagen der deutschen Mittelgebirge (Harz, Thüringer Wald, Schwarzwald) sowie in den Alpen zu finden. Dort besiedelt sie nasse, nährstoff- und basenarme sowie Torf- und Moorböden in alten, moosreichen Fichtenwäldern, in Mooren und Moorwäldern. War die Art schon seit langem durch die Intensivierung der Forstwirtschaft und Entwässerung von Moorbiotopen gefährdet, so hat ihr Rückgang in den letzten fünf Jahren durch den Klimawandel und die Borkenkäferplagen dramatische Ausmaße angenommen. In Thüringen waren ehemals etwa 30 Wuchsorte von dieser Art besiedelt. Auch in der Jenaer Umgebung kam sie vor. Noch 1850 wurde sie von Waldeck, zwischen 1828 und 1878 mehrfach bei der Fröhlichen Wiederkunft (Wolfersdorf) und zuletzt 1927 am Fichtelbrunnen im Leubengrund angegeben. Die Quellen um den ehemaligen „Fichtelbrunnen“ (im Wald gibt es mehrere Quellbereiche) sind alle zur Trinkwassernutzung gefasst, so dass es heute keine moosigen, feuchten Waldbereiche mehr gibt, in denen Neottia cordata Lebensraum finden könnte. Derzeit kommt die Art in Thüringen nur noch an einem Wuchsort vor. Dieses befindet sich in einem moorigen Fichtenwald am Rand des Thüringer Waldes und ist als Geschützter Landschaftsbestandteil gesichert. Bereits vor ca. 10 Jahren wurde der Bestand durch unangemessene forstliche Eingriffe (Anlegen von Rückegassen) erheblich beeinträchtigt. Seit diesem Jahr ist er durch Absterben des Fichtenbestandes und Austrocknen des oberhalb gelegenen Moores extrem bedroht. Die längerfristigen Perspektiven für diese Art sind zumindest an ihren Mittelgebirgsstandorten sehr schlecht.
Peter Rode, Stadtroda