Der Kleine Wasserfrosch (Pelophylax lessonae) ist Lurch des Jahres 2023

Von den 20 Amphibienarten in der Bundesrepublik Deutschland ist der Kleine Wasserfrosch wohl am wenigsten erforscht. Das betrifft sowohl die exakte Kenntnis der Verbreitung, Details der Biologie und Ökologie und schließlich sogar den Grad der Gefährdung dieser Art. Mit der Wahl dieses bemerkenswerten Froschlurches zum Lurch des Jahres 2023 will die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT e. V.), wiederum in Kooperation mit dem NABU, der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH), der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (info fauna karch) sowie dem Nationalen Naturhistorischen Museum Luxemburg (MNHN) die Öffentlichkeit auf diese Art aufmerksam machen und vor allem auch Forschungen anregen.

 

In einer Universitätsstadt wie Jena könnte das durchaus auf fruchtbaren Boden fallen, zumal es bislang keine überprüfbaren Hinweise zu Vorkommen des Kleinen Wasserfrosches in der Stadt Jena gibt.

(Bilder von links oben nach rechts unten)

(1) Männchen in Hochzeitsfärbung, Breitenhain (Saale-Orla-Kreis)

(2) Männchen mit ausgestülpter Schallblase, Breitenhain (Saale-Orla-Kreis)

(3) Weibchen, Breitenhain (Saale-Orla-Kreis)
(4) Unterseite eines Männchens, Breitenhain (Saale-Orla-Kreis)
(5) Hinterseite linker Oberschenkel eines Weibchens, Breitenhain (Saale-Orla-Kreis)
(6) Rufgruppe einiger Männchen des Kleinen Wasserfrosches im NSG „Weißacker“
Alle Bilder: C. und A. Nöllert, Jena

Kleiner Wasserfrosch

Pelophylax lessonae (Camerano, 1882), Familie Ranidae

RLT – Ungefährdet

RLD – Gefährdung unbekannten Ausmaßes

FFH-Richtlinie – Anhang IV

 

 

Artcharakteristische Kennzeichen: Kleiner bis mittelgroßer Wasserfrosch („Grünfrosch“); innerer Fersenhöcker groß, nahezu halbkreisförmig und entspricht fast der halben Länge der 1. Zehe; im Verhältnis zu Seefrosch und Teichfrosch sehr kurze Unterschenkel. Unterseite oft weiß, Hinterseite der Oberschenkel mit gelben Elementen zwischen der dunklen Marmorierung; paarige Schallblasen weiß.

 

Größe: Kopf-Rumpf-Länge (KRL) ♂♂ selten größer 60 mm; KRL ♀♀ selten größer als 70 mm.

 

Geschlechtsunterschiede: Männchen während der Fortpflanzungszeit oberseits zitronengelb oder bräunlich, wobei auch die dunkle Rückenfleckung überdeckt werden kann; Iris zitronengelb. ♂ mit grau pigmentierter Brunftschwiele am Daumen und muskulösen Vordergliedmaßen; hinter den Mundwinkel jeweils eine schlitzförmige, von außen sichtbare Hauttasche, aus der die von innen mit Luft gefüllten großen Schallblasen ausgestülpt werden können. ♀ ohne Brunftschwielen und Schallblasen, kein „Farbwechsel“ während der Fortpflanzungszeit.

 

Jahreszyklus: Abwanderung vom Gewässer ab Ende August. Kältestarre bis März/April, danach Wanderung zum Fortpflanzungsgewässer. Hauptlaichzeit Mitte Mai bis Mitte Juni, Ende der Fortpflanzungszeit Ende Juni/Anfang Juli. Abwanderung eines Teils der geschlechtsreifen Tiere in umgebende Wiesen und Wälder.

 

Tagesaktivität: Tag- und nachtaktiv.

 

Fortpflanzung: Männchen bilden Rufgemeinschaften in warmen Flachwasserbereichen. Einwandernde Weibchen werden in der Achselgegend geklammert (Amplexus axillaris). Der Laich wird in mehreren „fetzenförmigen“ Klümpchen mit 100-500 Eiern wenige cm unter der Wasseroberfläche deponiert und beim Austritt aus der Kloake vom ♂ besamt (äußere Befruchtung).  Ein Weibchen kann 400 bis 2.000 Eier je Saison absetzen. Der Eidurchmesser liegt zwischen 1,6-1,8 mm. Die Embryonalentwicklung ist nach 5-10 Tagen (15°C-30°C) abgeschlossen. Larven schlüpfen mit 7-10 mm Gesamtlänge (GL) und erreichen 50-70 mm, selten 100 mm GL. Nach 2-4 Monaten ist die Metamorphose beendet und die Jungfrösche verlassen mit 15-30 mm KRL das Gewässer.

 

Anzeigerufe: Die „Paarungsrufe“ bestehen aus schnarrenden Rufreihen, in denen „einzelne Töne“ nicht mehr wahrnehmbar sind (Unterschied zum Teichfrosch und Seefrosch).

 

Tagesverstecke und Winterquartiere: Tagesverstecke wie Teichfrosch. Überwinterung erfolgt zumeist an Land und häufig in Wäldern. Vermutlich werden dazu auch selbst gegrabene Höhlungen genutzt.

 

Wanderdistanzen: Vom Kleinen Wasserfrosch (v. a. Jungtiere) werden größere Distanzen im Jahresverlauf zurückgelegt. Maximale Wanderdistanz 15 km.

 

Nahrung: Als Nahrung dienen alle Organismen, die Kleine Wasserfrösche bewältigen können. Die erreichen manchmal die halbe eigene Körpergröße. Darunter u. a. Jungtiere der eigenen Art. Durch den Aufenthalt in Wäldern und auf Wiesen ist das Spektrum der Beutetiere vermutlich ein anderes als das der beiden anderen Wasserfrösche See- und Teichfrosch.

 

Prädatoren: Kleine Wasserfrösche werden u. a. von Hecht, Zander, Wels, anderen Wasserfröschen, Ringelnatter, Haubentaucher, Graureiher, Schwarz- und Weißstorch, Kranich, zahlreichen Greif- und Krähenvogelarten, Wanderratte, Fuchs, Marderhund, Fischotter und Marderarten verzehrt.

 

Abwehrverhalten: Kleine Wasserfrösche flüchten vor potenziellen Fressfeinden mit ein bis zwei Sprüngen in das Wohngewässer. Ergriffene Tiere blähen sich auf und senken den Kopf auf den Boden sowie äußern Schreckrufe mit geöffnetem Mund.

 

Alter: Kleine Wasserfrösche können 6-12 Jahre alt werden.

 

Bemerkenswertes: Kleine Wasserfrösche bilden eine wichtige Ressource im Nahrungsnetz vieler Ökosysteme und sind zur Erhaltung unserer Weiß- und Schwarzstorchbestände sowie des Schreiadlers (in Norddeutschland) von großer Bedeutung. Sie verzehren zudem große Mengen verschiedener Mückenarten und deren Larven.

 

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet des Kleinen Wasserfrosches erstreckt sich von West-Frankreich durch Mittel- und Osteuropa bis in das zentrale Uralgebirge (Russland). Im Norden gibt es winzige Isolate in England, Schweden, Norwegen und Russland (z. B. Ladogasee). Im Süden erstreckt sich das Areal bis in die Poebene sowie den „nördlichen Balkan“. Isolate existieren in der Karpaten Rumäniens, an der Donau zwischen Rumänien und Bulgarien sowie im Donaudelta (vgl. Karte).

In der Bundesrepublik Deutschland erkennen wir große Verbreitungslücken in Norddeutschland, südlich von Berlin, in großen Teilen von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Baden- Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen sind lückig besiedelt. In unserem Land fällt ein Verbreitungsschwerpunkt östlich der Saale auf. Dort sind vor allem die individuenreichen Vorkommen in der Umgebung von Neustadt an der Orla und im Naturraum der Plothener Teichplatte besonders erwähnenswert.

In beiden Gebieten werden Wiesen und Waldteiche besiedelt.

 

Lebensraum

Der Kleine Wasserfrosch besiedelt vor allem vegetationsreiche Moor- und moorähnliche Gewässer in Wäldern, Weiher auf Wiesen, Weiden, Ackerflächen und auch Entwässerungsgräben auf Wiesen und in Wäldern.

 

Gefährdung

Die wesentlichste Gefährdungsursache bestand und besteht im z. T. drastischen Absenken des Grundwasserstandes durch Melioration, wodurch eine große Zahl der Wald- und Wiesenmoore entwässert wurden. Auch in Naturschutzgebieten oder in deren unmittelbaren Randbereich (sie beide Abbildungen aus dem NSG „Weißacker“). Durch Zerstörung eines besonders wertvollen Wiesenteiches wurde ein wichtiges Fortpflanzungsgewässer des Kleinen Wasserfrosches im Saale-Orla-Kreis vernichtet.

Gefährdungen des Kleinen Wasserfrosches bestehen auch im Einsatz von Düngern und Pestiziden in seinen sehr sensiblen Lebensräumen.

 

Schutzmaßnahmen

Die wichtigsten Maßnahmen sind die Erfassung und der strenge Schutz der Fortpflanzungsgewässer. Das sind vor allem solche mit einem ausgeprägten Bestand an Unterwasservegetation, ganztägiger Besonnung und ohne Fischbesatz. Die Neuanlage von Gewässern muss den Lebensraumansprüche der entsprechenden Amphibienart gerecht werden.

 

Zur intensiven Beschäftigung mit dem Kleinen Wasserfrosch verweisen wir hier auf die Internetseite der DGHT mit der interessanten Vorstellung unser Lurch des Jahres 2023:

 

https://www.dght.de/pressemitteilung-lurch-des-jahres-2023.

 

https://feldherpetologie.de/lurch-reptil-des-jahres/lurch-des-jahres-2023-kleiner-wasserfrosch/der-kleine-wasserfrosch-lurch-des-jahres-2023/

 

Verbreitungsgebiet des Kleinen Wasserfrosch in Europa (oben)

Vorkommen des Kleinen Wasserfrosch in Deutschland (unten)

Typische Habitate des Kleinen Wasserfrosch:

(1) Ruf- und Fortpflanzungsgewässer des Kleinen Wasserfrosches im NSG „Weißacker“

(2) Rufgewässer des Kleinen Wasserfrosches im NSG „Dreba-Plothener Teichgebiet“

(3) Rufgewässer des Kleinen Wasserfrosch in Mecklenburg-Vorpommern im Umfeld des NSG "Hinrichshagen", In diesem Land ist die Art auch sehr lückig vertreten.

Alle Bilder: C. und A. Nöllert, Jena

Ein Beispiel für die Gefährdung des Kleinen Wasserfrosch:

Naturschutzgebiet "Weißenacker" im Saale-Orla-Kreis

(1) 2005 Wertvolles Fortpflanzungsgewässer des Kleinen Wasserfrosches im NSG „Weißacker“, Saale-Orla Kreis. Die auffälligen Lichtpunke im sauberen und klaren Wasser sind rufende Männchen der Art.

(2) 2022 Wenige Jahre später wurde das Gewässer zerstört und ein steriler Fischteich angelegt. Damit wurde auch der Lebensraum für zahlreiche andere Amphibienarten vernichtet.

Alle Bilder: C. und A. Nöllert, Jena