Auch der "Vogel des Jahres 2023" wurde durch eine öffentliche Abstimmung gewählt, Sieger ist das Braunkehlchen.
Braunkehlchen – Vogel des Jahres 2023
Das Braunkehlchen, ein schon immer seltener Brutvogel um Jena, wurde zum Vogel des Jahres für 2023 gewählt. Es bewohnt/e struktur- und
artenreiches Grünland, Wiesen und Weiden im Tal ebenso wie geeignete Lebensräume auf den Höhen in Plateaulagen im weiteren Umfeld der Stadt. Somit ist das Braunkehlchen nicht, wie vielfach
vermutet, nur an Feuchtwiesen gebunden. Doch warum „bewohnte“ und nicht bewohnt? Seit Jahren beobachten wir einen starken Rückgang der in Thüringen brütenden Braunkehlchen und leider auch in der
Umgebung von Jena. So verschwand es als Brutvogel in den letzten Jahren von dem ehemaligen Truppenübungsplatz Rothenstein. Ergab die Brutvogelerfassung der Jahre 2005 – 2009 für ganz Thüringen
noch einen hochgerechneten Bestand von ca. 800 bis 1000 Brutpaaren, musste diese Zahl 2018 auf nur noch 400 bis 500 Brutpaare und damit innerhalb von nur 10 Jahren um 50 % reduziert werden. Seit
2021 steht es sogar auf der neuen Roten Liste der Brutvögel Thüringens in der Kategorie 1 - vom Aussterben bedroht!
Doch dieser Rückgang ist nicht gleichmäßig in ganz Thüringen zu beobachten, denn es gibt lokal Orte z.B. in Südthüringen, an denen Braunkehlchen noch in erfreulicher Dichte brüten. Es handelt
sich dabei um Feuchtgrünland, das durch Beweidung mit Großvieh bewirtschaftet und nicht alljährlich gemäht wird. Ein wichtiger Hinweis darauf, dass dieser Rückgang durch unsere
Grünlandbewirtschaftung selbst in Naturschutzgebieten verursacht wird und wir unser Pflegemanagement von Offenland dringend einer Evaluierung unterziehen müssen. Da Braunkehlchen bevorzug die
Spitzen von Disteln, kleinen Büschen oder Koppelpfählen als Sitzwarten nutzen, sind sie im offenen Gelände während der Brutzeit relativ leicht zu bemerken. Der Gesang ist dabei unauffällig,
erinnert entfernt an den des Hausrotschwanzes und enthält auch Elemente anderer Vogelarten. Braunkehlchen sind etwa von der Größe eines Rotkehlchens und vom ähnlichen Schwarzkehlchen an einem
beim Männchen deutlich, beim Weibchen und den Jungvögeln weniger ausgeprägten hellen Überaugenstreif und dem Fehlen von Schwarz an der Kehle zu unterscheiden. Braunkehlchen sind sogenannte
Langstreckenzieher, die bei uns Anfang April erscheinen und im August/September das Land wieder verlassen, um südlich der Sahara zu überwintern. Gelegentlich konnten bei Jena in den vergangenen
Jahrzehnten verspätete Durchzügler aus Skandinavien noch bis in den November hinein beobachtet werden.
Sein Nest legt das Braunkehlchen am Boden in kleinen Bodenvertiefungen, verdeckt unter Halmen, in der Nähe von Gebüschen, an Bahndämmen und Landstraßen an. Hier sind diese jedoch nicht nur durch
Bodenfeinde, sondern weitaus mehr durch das heute verbreitete Mulchen der Straßen- und Wegränder während der Brutzeit extrem gefährdet. Eine widersinnige Maßnahme, der neben den Nestern weiterer
Bodenbrüter – darunter insbesondere der Goldammer – auch viele Insekten und anderer Bodentieren zum Opfer fallen. Also kein Mulchen der Straßengräben und Feldraine! Die zur Gewährleistung der
gebotenen Verkehrssicherungspflicht nötige Mahd sollte nur einmal jährlich und außerhalb der Brutzeit der Vögel durchführen werden. Dies wäre ein sinnvoller Beitrag zum Schutz und Erhalt der
biologischen Vielfalt.
Dr. Dietrich von Knorre, Jena